Mit Volldampf durch Bahngeschichte
HNA vom 15. März 2024
Neues Buch zeigt die Bedeutung Kassels als Verkehrsknotenpunkt
Vom Werk zum Bahnhof: Diese neue Schnellfahrlok 61 002 verlässt am 12. Juni 1939 das Werksgelände der Firma Henschel und überquert den Holländischen Platz in Richtung Bahnhof Unterstadt. FOTOS: SAMMLUNG ANDREAS GILLER (4)/CLAUDIA FESER (1) |
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Moderne Kreuzung: Ein Henschel-Bus passiert in den 1960er-Jahren die Altmarkt-Kreuzung. |
Zeitungen am Zug: Diese Dame kauft 1951 am Hauptbahnhof internationale Zeitungen am Fenster der D73. |
VON CLAUDIA FESER
Kassel – Der Lokomotivbau gehört zu Kassel wie der Herkules zum Bergpark. Eisenbahnfreunde im ganzen Land verbinden die Namen Henschel, Wegmann und Credé mit Kassel. Los ging es 1822, als der Unternehmer Carl Anton Henschel erste Pläne für eine Pferdeeisenbahn entwickelte. Den Weg von dieser Vision bis zur Eröffnung der ICE-Strecke Hannover-Würzburg, die Kassel nach der deutschen Wiedervereinigung wieder ins Zentrum des Eisenbahnverkehrs rückte, beleuchtet Andreas Giller aus Vellmar anschaulich in seinem Buch „Verkehrsknotenpunkt Kassel“. Es ist eine Lektüre, das nicht nur Eisenbahnfreunden Spaß beim Stöbern macht.
Die Lage der Stadt in der Mitte Deutschlands hatte Mitte des 19. Jahrhunderts die verkehrstechnische Anbindung an das Schienennetz forciert. Das wiederum zog den Bau imposanter Bauwerke nach sich, etwa den des Hauptbahnhofs, der 1857 fertiggestellt wurde, oder die 314 Meter lange zweigleisige Eisenbahnbrücke mit 13 Bögen, die sich bei Guntershausen über die Fulda spannte und die Eröffnung der Bahnstrecke Kassel-Bebra 1849 ermöglichte.
Vor 96 Jahren: So sah der Kasseler Hauptbahnhof mit seinem zwölf Bahnsteigen im Jahr 1928 aus, aufgenommen aus einem Junkers-Flugzeug. FOTO: STADTMUSEUM |
Reichsbahnidylle liefert die Aufnahme der Versuchs-Hochdrucklok H17 206 vor Planzügen und vorbei an doppelreihigen Telegrafenmasten und dem Gemüsegärtchen, der zum Wärterhaus gehört. Das Bild wurde 1929 aufgenommen. |
Autor Andreas Giller, der ehrenamtlich im Lok-Archiv des Henschelmuseums tätig ist, hat für das Buch eine beachtliche Fotosammlung zusammengetragen. Hierbei haben ihn Holger Werner, Volker Credé und Jürgen Koch mit ihren Archiven und Wissensschätzen unterstützt. Imposant ist beispielsweise die Aufnahme der Schnellfahrlok, die bei Henschel gebaut wurde und am 12. Juni 1939 beim Verlassen des Werksgeländes am Holländischen Platz in Richtung Bahnhof Unterstadt fotografiert wurde.
Auch wenn solches damals ein alltäglicher Anblick war, blieben die Passanten stehen – beeindruckt von der Lokomotive, die 175 Stundenkilometer schnell fahren konnte. Sie war für den Henschel-Wegmann-Zug gebaut worden, der eine Konkurrenz für die Diesel-Schnelltriebwagen sein sollte. Das Projekt kam durch den Krieg, der drei Monate nach Auslieferung der Lok begann, nicht zustande, informiert Andreas Giller im Buch. Links im Bild ist übrigens ein Henschelaner zu erkennen, der die Kreuzung des Holländischen Platzes mit einer Warnflagge sichert.
Das Buch beeindruckt durch die vielen Fotos, die Geschichten erzählen. Etwa die der „Henschel 20 000“, die mit Blumengirlanden geschmückte Jubiläumslok 39 067, die 1923 zur Überführung im Bahnhof Unterstadt steht. Oder das Bild mit den beiden Lokomotiven auf den Gleisen 9 und 10 am Hauptbahnhof. Bei der Lok 01 1093 steigt gerade ein Heizer zu, der seinen Rundgang um den Zug beendet hat. Es ist ein Bild aus dem Jahr 1966 und ein Stück Abschied, denn im selben Jahr wurde Kassel elektrifiziert.
Beeindruckend sind auch die Fotos der großen Bekohlungsanlagen, deren Bekohlungskräne bis 1974 in Betrieb waren. In eine Lok passten zehn Tonnen Kohle, am Tag wurden in Kassel bis zu 600 Tonnen Kohle an passierende Züge abgegeben. Neben dem Bekohlen wurden die Loks am Kohlenladerhaus auch mit Wasser beladen, Asche wurde geleert, und die Loks wurden abgeölt.
Einige Aufnahmen zeigen den einst imposanten Hauptbahnhof von innen. Bei manchen Fotos kommen den Lesern sicherlich Erinnerungen an „Meilchens Erfrischungen“ hoch, den Bahnhofskiosk, an dem sich so manches Kind über einen Lutscher freute. Das war die Zeit, als die Bahnsteige noch Richtungen zugewiesen waren: Auf Gleis 5 ging’s nach Warburg, auf 4 nach Bebra, auf 3 nach Frankfurt.
Ein Glück, dass Kassel zum beliebten Ort von Eisenbahnfotografen geworden ist – so kann Andreas Giller die rund 180 Jahre alte Bahn-Geschichte Kassels in vielen Bildern und Geschichten erzählen.
Buch: Andreas Giller: Verkehrsknoten Kassel, EK-Verlag, 112 Seiten, 180 Abbildungen, 29,80 Euro. Erhältlich im Buchhandel und im Henschel-Museum.
Zuletzt geändert am: 24.05.2024 um 02:18
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